FACT – FINDING – FINANCE

Im Gespräch mit Mag. Angelika Sommer-Hemetsberger

Für Finanzbildung gibt es weder eine Gebrauchsanweisung noch ein 10-Minuten-Youtube-Video. Es braucht ein breites Basiswissen aus dem Elternhaus, das in der Schule weiter auszubauen ist. Damit sollen möglichst viele Menschen in jungen Jahren befähigt werden, mit ihren Finanzen gut umzugehen. Finanzbildung ist Life Long Learning.

Steigende Komplexität der Finanzmärkte und Finanzprodukte erfordern ein immer höher werdendes Maß an Finanzbildung und Finanzkompetenz. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Finanzbildung in Österreich? Wo sehen Sie Aufholpotenzial? 

Die durchschnittliche Finanzbildung wird in Österreich Schritt für Schritt besser. Dafür sorgen die vielen Einzelinitiativen und der besondere Einsatz von engagierten Lehrkräften, NGOs und nicht zuletzt auch des Bankenverbands mit seinen Mitgliedern. Im aktuellen Schuljahr ist das von der Stiftung für Wirtschaftsbildung entwickelte Schulpilot-Projekt "Wirtschaftsbildung" an 30 österreichischen Schulen der Sekundarstufe I – also an Mittelschulen und in der AHS Unterstufe – an den Start gegangen. Das stimmt mich zuversichtlich, dass die Finanzbildung in Österreich nochmal einen deutlichen Schub bekommt – nämlich dort, wo es um die Vermittlung von Basiswissen geht. Hier ist es am wichtigsten, dass möglichst viele Menschen schon von jungen Jahren an befähigt werden, mit ihren Finanzen gut umzugehen und ein selbstbestimmtes finanzielles Leben führen zu können. Es geht dabei nicht darum zu wissen, wie komplexe Finanzprodukte funktionieren oder wo der Sitz der EZB ist. Es geht vielmehr darum, über den Zusammenhang von verfügbarem Einkommen und Lebenshaltungskosten Bescheid zu wissen und wie man im Alltag vernünftig mit dem eigenen Geld umgeht. Um zu verstehen, welche Konsequenzen Konsumkredite mit sich bringen, wofür es den berühmten Notgroschen braucht und wie man für die Ausbildung der Kinder oder die Pension vorsorgen kann, braucht es kein komplexes Finanzwissen.
 

Was sind persönlich und volkswirtschaftlich die Benefits einer höheren Finanzbildung?

Eine gute Finanzbildung ist die Basis, um ein selbstbestimmtes finanzielles Leben zu führen. Ich denke hier insbesondere an Frauen, die kein oder nur wenig eigenes Einkommen haben, weil sie sich zum Beispiel jahrelang um die Kinderbetreuung kümmern und dann im Pensionsalter in die Armutsfalle geraten. Oder Frauen, die gutgläubig Kreditbürgschaften für Ehepartner übernehmen und in der Schuldenfalle landen. Oder junge Menschen, die ihre finanziellen Möglichkeiten überschätzen und mit Konsumschulden in fünfstelliger Höhe bei der Schuldnerberatung vorstellig werden. Das sind – leider gar nicht so seltene – Szenarien, die man mit guter finanzieller Basisbildung vermeiden kann.
Volkswirtschaftlich bedeuten finanziell besser gebildete Menschen besser informierte wirtschaftliche Entscheidungen, eine bessere Altersvorsorge und damit mehr Wohlstand und Gesundheit auch im Alter. Eine höhere Finanzbildung fördert die Entwicklung gesunder, wettbewerbsfähiger Finanzmärkte und erhöht die finanzielle Stabilität. Sie leistet auch einen Beitrag zur Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Viele Privatanlegerinnen und Privatanleger möchten „grün“ bzw. „nachhaltig“ investieren. Dafür müssen sie ihre Finanzentscheidungen natürlich entsprechend beurteilen können, Stichwort ESG-Kriterien.
 

Das Bewusstsein über die Auswirkungen von Schulden, unterschiedlichen Finanzierungsformen sowie die Risiken und Chancen von Finanzprodukten sind wesentliche Bausteine von Finanzwissen. Wieviel Finanzbildung braucht eine Gesellschaft für persönlichen und gesamtheitlichen Wohlstand?

Dafür gibt es weder eine Gebrauchsanleitung noch ein YouTube-Video, das einem in zehn Minuten die Basics nahebringt. Finanzbildung ist lebenslanges Lernen. Es braucht zunächst ein breites Basiswissen, das schon im Elternhaus vermittelt werden sollte. Kinder lernen vor allem, indem sie ihre Eltern beim Umgang mit Geld beobachten und sowohl gute als auch schlechte Gewohnheiten übernehmen können. In der Schule setzt sich das Lernen fort, insbesondere auch innerhalb der Freundesgruppen. Da wird über Taschengeldhöhe diskutiert und mit den Eltern verhandelt. So wird ein reflektierter Umgang mit Geld antrainiert, der der jeweiligen Lebenssituation angepasst werden muss. Je nach Alter und Lebenslage kommen neue Themen wie Wohnungskauf, Versicherungen, Altersvorsorge u.Ä. dazu. Damit lernt man praktisch sein Leben lang.
 

„Über Geld spricht man nicht“ – dieses Mindset ist in Österreich weit verbreitet. Braucht es eine neue Beziehung zu Geld und Geldverdienen, damit man offener mit dem Thema umgeht und würde das die Finanzbildung stärken?

Das halte ich mittlerweile schon für etwas überholt. Es wird bereits deutlich mehr über Geld gesprochen, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Das haben wir unter anderem den sozialen Medien zu verdanken, in denen sich die Menschen sehr niederschwellig und offen austauschen. Die junge Generation macht uns das schon recht gut vor. Aber natürlich gibt es immer noch Bereiche, wo Geld ein Tabuthema ist. Das finde ich schade. Das sind vergebene Chancen, um voneinander zu lernen.
 

Sparschwein, Bausparvertrag, Aktien – wie und wann haben Sie ihr erstes Geld angelegt und warum – worauf haben Sie gespart?

Als Kind hatte ich selbstverständlich ein Sparschwein – der Klassiker. Der Inhalt des Sparschweins wanderte regelmäßig zum Weltspartag aufs Sparbuch. Meine erste Aktie habe ich mit 21 gekauft, als ich mich im Studium intensiver mit den Finanzmärkten beschäftigt habe. Der Bausparvertrag durfte natürlich auch nicht fehlen – er war schlussendlich ein Baustein für den Kauf der eigenen Wohnung.
 

Wordrap mit Angelika Sommer-Hemetsberger

Mit meinem ersten selbst verdienten Geld habe ich... eine Interrail-Reise nach Frankreich gemacht.

Meine Eltern haben mir in Geldfragen immer geraten... nicht mehr auszugeben, als ich habe, das heißt, die Ausgaben gut im Griff zu haben. Ein guter Rat, den ich heute noch beherzige!

Am liebsten bezahle ich mit... Debit- oder Kreditkarte - kontaktlos - und gelegentlich auch mit Bargeld.

Auf mein Konto schaue ich... gelegentlich.

Kryptowährungen bedeuten für mich... ein interessantes Phänomen, das mit Vorsicht zu genießen ist.

Mein persönlicher Tipp für den Umgang mit Finanzen ist... sich vor Finanzentscheidungen gut zu informieren. Außerdem: für unerwartete Ereignisse finanziell vorsorgen, Kredite nur sehr achtsam nutzen und nach Möglichkeit in eine langfristige Zukunftsvorsorge investieren.

Finanzbildung ist wichtig, weil... sie Unabhängigkeit fördert, vor allem für Frauen. Und zum finanziellen Wohlergehen der Menschen und unserer Wirtschaft beiträgt.