2. September 2019
"Mit der JusHAK schließen wir eine Ausbildungslücke"
Im September 2019 ist die JusHAK gestartet– ein neues Schulformat, das eine wirtschaftliche mit einer rechtlichen Ausbildung verbindet. Der Bankenverband unterstützt das Pilotprojekt als Kooperationspartner. Im Interview sprechen Eveline Grubner, Direktorin der Vienna Business School Schönborngasse, und ihr Stellvertreter, Peter Krauskopf, über die Zielsetzungen.
Ihre Schule ist einer der vier österreichweiten Standorte, die am Pilotprojekt JusHAK teilnehmen. Wie ist es dazu gekommen?
Eveline Grubner: Wir haben uns dafür beworben und wurden ausgewählt. In der Bewerbungsphase mussten wir genau erklären, warum ausgerechnet die VBS Schönborngasse als JusHAK-Schule geeignet ist.
Und ... warum ist sie geeignet?
Peter Krauskopf: Erstens haben wir viel Erfahrung mit Pilotprojekten. Unser Angebot der „HAK Plus“ als besonderes Begabungsmodell hat ebenfalls als Pilotprojekt begonnen und ist jetzt seit 15 Jahren erfolgreich im Einsatz. Zweitens können wir mit der JusHAK eine Ausbildungslücke schließen: Wir bieten damit einen Kompetenzerwerb an, der zwischen dem Maturawissen und dem Know-how eines Volljuristen nach Abschluss eines Universitätsstudiums liegt. Gerade die vielen Kleinbetriebe in Österreich können sich in der Regel keine Volljuristen leisten. Dort sind dann die AbsolventInnen der JusHAK gefragt. Drittens sind wir als Entrepreneurship-Schule zertifiziert. Das qualifiziert uns zusätzlich.
Stichwort Ausbildungslücke: Sie reagieren mit der JusHAK auf eine externe Nachfrage. Wie sieht es mit der internen Nachfrage aus? Wie sehr interessieren sich Ihre SchülerInnen für Jus?
Eveline Grubner: In unserer Schule besteht seit vielen Jahren ein großes Interesse am Thema Recht. Das zeigen die Antritte bei der mündlichen Reife- und Diplomprüfung. Mehr als ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler entscheidet sich für das Wahlfach Recht. Und als es jetzt um die Aufnahme neuer SchülerInnen in den ersten Jahrgang der JusHAK ging, hatten wir die Möglichkeit, aus den zahlreichen BewerberInnen 26 – das ist die maximale Klassengröße – auszuwählen. So stellen wir sicher, dass auch nur wirklich jene KandidatInnen in der JusHAK anfangen, die wirklich an der Materie interessiert sind.
Und diese jungen Menschen wollen später – inspiriert von YouTube-Videos und Fernsehserien – alle als Richter und Anwälte arbeiten?
Eveline Grubner: Ganz und gar nicht – ihre Berufswünsche sind breit gestreut. Natürlich wollen viele in eine Richtung gehen, in der sie mit Recht zu tun haben werden. Zahlreiche SchülerInnen wollen aber auch UnternehmerInnen in den unterschiedlichsten Branchen werden. Allen gefällt die Kombination aus Wirtschaft und Recht. Schließlich lassen sich viele Situationen im beruflichen und privaten Leben nur mit wirtschaftlichen und rechtlichen Kenntnissen lösen.
Wird es in der JusHAK besondere didaktische Konzepte geben?
Peter Krauskopf: Wir arbeiten viel mit Fallbeispielen, bringen die SchülerInnen mit FachexpertInnen in Kontakt und geben ihnen die Möglichkeit, die unternehmerische Praxis bei Firmenbesuchen live zu erleben. Ein Fixpunkt wird der Besuch von Gerichtsverhandlungen sein. Schon im ersten Jahr starten die SchülerInnen mit dem Fach „Juristische Praxisfelder“. Hier werden Themen aus der Lebenswelt der Jugendlichen aufgegriffen – also Aspekte, die sie persönlich betreffen wie Handykauf, Rechte und Pflichten der SchülerInnen, Eltern-Kind-Beziehung, Suchtmittelrecht und Urheberrecht.
Wer unterrichtet die Rechtsfächer?
Eveline Grubner: Da kommen ausgebildete JuristInnen mit Praxiserfahrung zum Einsatz – etwa ehemalige RichterInnen oder ehemalige MitarbeiterInnen großer Anwaltskanzleien. Viel Praxisnähe erwarte ich auch durch die enge Zusammenarbeit mit externen KooperationspartnerInnen.
Was – außer Recht – steht in der JusHAK sonst noch am Lehrplan?
Peter Krauskopf: Uns ist besonders wichtig, trotz der Spezialisierung auf Jus nicht den Fokus auf eine solide Allgemeinbildung zu verlieren. Die Fächer mit rechtlichen und wirtschaftlichen Inhalten machen rund 40 Prozent der Wochenstunden aus. Der Rest verteilt sich auf Sprachen und Kommunikation, Mathematik und Naturwissenschaften, Persönlichkeitsentwicklung und Sport sowie Gesellschaft und Kultur.
Noch ganz allgemein gefragt: Welche Kompetenzen junger Menschen sind aus Ihrer Sicht und Erfahrung für die Zukunft besonders wichtig?
Eveline Grubner: Ganz wesentlich ist, sich für das, was man tut, zu interessieren. Die Welt wird immer komplexer. Um sich diesen Herausfoderungen stellen zu können, braucht es ein fundiertes Basiswissen, Neugier, Durchhaltevermögen und Verantwortungsbewusstsein. Und die Bereitschaft, im Team zu arbeiten! Bildungskonzepte und Unterrichtssettings, die diese Bausteine unterstützen, können für die SchülerInnen in der Zukunft wirksam werden. Ohne hohe Praxis- und Anwendungsorientierung mit einem gewissen Grad an Individualisierung werden wir dabei nicht auskommen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mag. Eveline Grubner, MA, hat nach Abschluss ihres Mathematik- und Geografiestudiums in Wien an verschiedenen AHS unterrichtet. Ihre Karriere in der VBS Schönborngasse begann sie als Lehrerin im Aufbaulehrgang für HandelsschülerInnen, die einen HAK-Abschluss erwerben wollen. Neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin studierte die gebürtige Niederösterreicherin an der Universität Klagenfurt, wo sie als Master in Arts of Education abschloss. Seit acht Jahren ist sie Leiterin der VBS Schönborngasse und wird in der neuen JusHAK den ersten Jahrgang in den Fächern Mathematik und Persönlichkeitsentwicklung begleiten.
Dr. Peter Krauskopf ist promovierter Wirtschaftspädagoge mit intensiven Praxiskontakten und Intrapreneur im kaufmännischen Bildungswesen. Neben seiner Lehrtätigkeit und Funktion als stellvertretender Schulleiter an der VBS Schönborngasse unterrichtet er u. a. an der Johannes Kepler Universität in Linz. Weiters war er viele Jahre als Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien und im Bereich Führungskräfteschulung in der Privatwirtschaft tätig.
Start der neuen jusHAK im September 2019 mit Eveline Grubner (sitzend 2.v.li.), Leiterin jusHAK/VBS Schönborngasse, und Peter Krauskopf (sitzend 4.v.li.), stv. Leiter jusHAK/VBS Schönborngasse.
© Harald Klemm