Obwohl sich Frauen und Männer im Personalstand der heimischen Finanzinstitute die Waage halten, gibt es nach wie vor Aufholbedarf in Managementfunktionen. Insbesondere für den Anteil von Frauen in den Vorstandsetagen der österreichischen Banken besteht Nachholbedarf. „Das wollen und müssen wir ändern. Mein Wunsch ist es, diesen Anteil bis zum Jahr 2030 auf zumindest 20 Prozent zu erhöhen”, sagt Robert Zadrazil, CEO der UniCredit Bank Austria und Präsident des österreichischen Bankenverbandes.
Bis Chancengleichheit in den Mitgliedsinstituten des Bankenverbandes erreicht ist, ist noch einiges zu tun. So hat eine verbandsinterne Mitgliederumfrage ergeben, dass durchschnittlich erst rund zehn Prozent der Vorstandsposten aktuell mit Frauen besetzt sind. Vor zehn Jahren lag dieser Wert bei rund sechs Prozent. „Mit dieser Erhöhung ist zwar ein erster Schritt getan, aber im Sinne eines ausgewogenen Verhältnisses der Geschlechter in Führungspositionen ist jedenfalls Steigerungspotential vorhanden“, so Doris Zingl, Leiterin des Bereichs Recht im Bankenverband und gemeinsam mit Valeska Grond-Szucsich Koordinatorin der neuen Gender-Diversity-Initiative im Bankenverband.
Deutlich höher ist mit durchschnittlich rund 30 Prozent der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten. Doris Zingl: „Hier hat sich der Anteil im Vergleich zu 2010 verdreifacht. Das ist wohl darauf zurückzuführen, dass es speziell im Bereich der Aufsichtsräte schon seit Längerem Initiativen zur Erhöhung des Frauenanteils gibt und diese bereits Wirkung gezeigt haben.“
Bei Führungspositionen außerhalb des Top-Managements ist der Frauenanteil im Dekadenabstand von rund 22 Prozent auf rund 27 Prozent gestiegen. „Damit sind etwas mehr als ein Viertel aller Führungspositionen unterhalb der Vorstandsebene in Frauenhand. Interessant ist auch, dass sich beim Thema ‚Führen in Teilzeit‘ Erfreuliches tut: Konnten 2010 nur rund ein Prozent der Führungspositionen in Teilzeit ausgeübt werden, sind es 2020 bereits nahezu zehn Prozent. Das Ermöglichen von Führen in Teilzeitstellt stellt eine strukturelle Maßnahme dar, die auf eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben abzielt“, sagt Doris Zingl. Die geschlechterübergreifende Akzeptanz und Nachfrage von Führen in Teilzeit und Jobsharing zeigt sich auch im Dekadenvergleich der jeweiligen Prozentsätze der männlichen Teilzeitführungskräfte. Waren im Jahr 2010 erst etwa zwölf Prozent der Teilzeitführungskräfte Männer, sind es 2020 bereits rund 37 Prozent“, so Doris Zingl. Dies bestätigt den generellen Trend zu Teilzeitarbeit, was gleichzeitig als Indikator für strukturelle Änderungen im Arbeitsalltag – Stichwort Work-Life-Balance – gewertet werden kann.
Allerdings muss das Thema Teilzeit differenziert betrachtet werden. Doris Zingl: „Die Inanspruchnahme von Elternteilzeit ist im Jahr 2020 noch immer überwiegend Frauensache. Der Anteil von Männern an allen Elternteilzeit-Nehmenden betrug 2020 erst rund fünf Prozent. Wenn Männer Teilzeitmodelle in Anspruch nehmen, dann vor allem Altersteilzeit- und sonstige Teilzeitmodelle.“
Eine Spur ausgewogener sieht es beim Thema Karenz aus: Hier ist der Männeranteil im Dekadenabstand von rund vier auf rund 13 Prozent gestiegen, wobei Männer im Jahr 2020 für durchschnittlich drei Monate in Karenz gingen, Frauen für rund 18 Monate. „Männer kehren deutlich früher in den Arbeitsprozess zurück als Frauen“, sagt Doris Zingl.
Diese Fakten belegen deutlich das Entwicklungspotenzial, das in Sachen ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Aktienbanken besteht. Robert Zadrazil: „Als Bankenverband haben wir dies zum Anlass genommen, in unserem Mitgliederkreis eine Gender-Diversity-Initiative zur Förderung der Chancengleichheit im Finanzbereich zu starten. Wir wollen damit Männern und Frauen gleiche Chancen in der Gestaltung ihrer Berufskarrieren in den Mitgliedsinstituten bieten. Ziel sind gemischte Führungsteams, die einen deutlichen Mehrwert für die Banken als Unternehmen und damit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kundinnen und Kunden bringen.”
Internationale Studien zeigen wiederholt, dass Gender Diversity die Rentabilität und Stabilität des Finanzsektors positiv beeinflusst. Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen sind ökonomisch erfolgreicher und krisenstabiler. „Dies lässt sich auch mit Fakten belegen. Eine Untersuchung von McKinsey in einer Sammelstudie des IHS hat beispielsweise schon 2007 gezeigt, dass Unternehmen mit Frauen in Führungsgremien um durchschnittlich fünf Prozentpunkte bessere Ergebnisse bei Umsatz und Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROI) erzielen”, erklärt Susanne Riess, Generaldirektorin von Wüstenrot und Vizepräsidentin des Bankenverbandes.
Dieser Effekt hat sich bis heute weiter verstärkt. Laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group (BCG) erzielen Unternehmen mit diversen Führungsgremien einen um 19 Prozentpunkte höheren Umsatz durch Innovation als andere Unternehmen. Susanne Riess: „Unternehmen mit gemischtgeschlechtlichen Führungsteams verfügen über mehr Innovationskraft, weil sie unterschiedliche Perspektiven in ihre Entscheidungen einbringen. Das kommt ihnen gerade in diesem volatilen Geschäftsumfeld, in dem sich die Wirtschaft heute bewegt – Stichwort Corona und Klimakrise – besonders zugute.”
Darüber hinaus erzielen Unternehmen mit diverser Firmenspitze laut BCG-Analyse eine neun Prozentpunkte höhere EBIT-Marge – also einen höheren Ertrag. Ein aktueller Frauen-Management-Report der Arbeiterkammer hat zudem festgestellt, dass Unternehmen mit mehr Frauen im Management weniger Rechtsstreitigkeiten und Verwicklungen in Betrugsfälle zu verzeichnen haben. Modernes Employer Branding und ein demnächst steigender Bedarf an qualifizierten Nachwuchsführungskräften aufgrund anstehender Pensionsantritte der „Babyboomer-Generation” ist ein weiterer wichtiger Grund, weshalb Unternehmen und Banken gut beraten sind, das weibliche Potenzial zu nutzen.
Als kritische Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung von Chancengleichheit sieht Bankenverbands-Vizepräsidentin Susanne Riess ein Bündel verschiedener Maßnahmen: „Chancengleichheit muss beim Management in der Führungsetage beginnen und ganz klar in der Führungs- und Unternehmenskultur verankert werden. Dazu helfen Vielfalt bei der Rekrutierung des Führungskräftenachwuchses und das Besetzen von wichtigen Schüsselpositionen mit Frauen. Diese Maßnahme hat sehr starke Signalwirkung nach innen und nach außen. Idealerweise werden auch Zielgrößen festgelegt und Maßnahmen wie Führung in Teilzeit, Väterkarenz und Programme für Karenzrückkehrerinnen und -rückkehrer aktiv angeboten und unterstützt.”
Am wichtigsten ist jedoch eine Änderung des Mindsets. Susanne Riess: „Bei Initiativen zur Chancengleichheit müssen alle Geschlechter mitgedacht und beteiligt werden. Es geht nicht darum, Frauen durch bestimmte Maßnahmen für männerdominierte Vorstandsetagen ‚passend‘ zu machen, sondern ein gemeinsames Bewusstsein für die Wichtigkeit gemischter Teams zu entwickeln und gemeinsam die erforderlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.”
In einigen Mitgliedsbanken wird dieser Mindset bereits gelebt. Die UniCredit Bank Austria verfügt etwa schon heute über einen Anteil von 29 Prozent Frauen in Führungspositionen. Bei der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB KI-Gruppe) liegt dieser Anteil bei 35,5 Prozent. Sowohl bei der OeKB als auch bei Wüstenrot und der Bank für Kärnten und Steiermark (BKS) ist der Vorstand zu mehr als 30 bzw. sogar zu 50 Prozent mit Frauen besetzt.
Rückfragen für MedienvertreterInnen:
für den Bankenverband: MMag. Edith Holzer, M.A. | für Wüstenrot: Dr. Andrea Krametter | für die UniCredit Bank Austria: Mag. Matthias Raftl |
Gender Diversity - Vielfalt ist unsere Stärke