28. Jänner 2021
Gemischte Führungsgremien schaffen Wert: Mehr Frauen in Führungspositionen als Abbild unserer Gesellschaft
Mit der Corona-Pandemie und den Schlagwörtern „Frauen in systemerhaltenden Berufen“ und „Home-Schooling“ ist auch das Thema Gender Diversity wieder verstärkt ins Bewusstsein von Gesellschaft und Wirtschaft gerückt. Gerald Resch, Doris Zingl und Valeska Grond-Szucsich im Gespräch über die neue Initiative des Bankenverbands zur Förderung von Chancengleichheit im Finanzbereich.
Worum geht es Ihnen in Ihrer neuen Initiative?
Gerald Resch: Uns ist es ein Anliegen, die geschlechtsspezifische Vielfalt im Bankwesen zu unterstützen, um Gleichberechtigung und Chancengleichheit zu fördern. Gender Diversity beeinflusst die Rentabilität und Stabilität des Finanzsektors positiv und kann als Katalysator für wirtschaftliche Produktivität und Wachstum wirken. Wir wollen vor allem zwei Aspekte hervorheben: Einerseits möchten wir den Fokus auf das Thema Frauen in Führungspositionen legen, aber auch die Bedeutung von Frauen als Kundinnen von Banken unterstreichen. Es ist nach wie vor – leider – eine Tatsache, dass es in der Finanzbranche nur wenige Frauen in den oberen Führungsebenen gibt. Der Bankenverband geht schon heute den Weg der Gender Diversity: Wir haben eine Frau im Präsidium sowie zwei weitere Frauen im Vorstand. Weiters steht eine Frau dem Fachverband der Banken und Bankiers vor. Eine stärkere geschlechtermäßige Durchmischung auf allen Hierarchieebenen bzw. in allen Arbeitsbereichen ist wünschenswert und zeitgemäß.
Was bringt die Präsenz von mehr Frauen in der Führungsetage?
Doris Zingl: Umfassende Studien[1] und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass es einen eindeutig positiven Zusammenhang zwischen (mehr) Frauen in Aufsichtsräten, Vorständen oder anderen leitenden Funktionen und wichtigen finanziellen Unternehmenskennzahlen gibt. Unternehmen mit geschlechterausgeglichenen Führungsetagen erwirtschaften oft mehr Gewinn und sind meist krisenstabiler. Höhere Anteile von Frauen in Führungspositionen wirken sich positiv auf das Risikoverhalten, die Risikobewältigung und die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen aus.
Valeska Grond-Szucsich: Im Übrigen beziehen sich diese Erfahrungen nicht nur auf klassische Führungspositionen, sondern auch auf die ExpertInnenebene. Es gibt hervorragend qualifizierte Frauen, die großartige Arbeit als Expertinnen leisten und in ihrem Bereich auch Entscheidungskompetenz haben. Faktum ist jedoch, dass Frauen in der Unternehmenshierarchie bald an die berühmte „gläserne Decke“ stoßen.
Woran liegt es, dass sich Chancengleichheit auf der Managementebene noch nicht durchgesetzt hat?
Valeska Grond-Szucsich: Das hängt sehr stark mit der Haltung des Managements eines Unternehmens zusammen. Wenn sich das Management zum Ziel setzt, aus dem gesamten Talente-Pool aller MitarbeiterInnen die Besten zu finden, setzt sich Chancengleichheit durch. Zudem wird ein Umfeld geschaffen, in dem Frauen und Männer gleichermaßen Führungskräfte und EntscheidungsträgerInnen sein können. Allerdings prägen tradierte Rollenbilder, die zum Teil immer noch in der Gesellschaft vorherrschen, das berufliche Umfeld stark. Dort, wo vorausgesetzt wird, dass eine junge, gut ausgebildete Frau ohnehin aufgrund ihres Kinderwunsches „irgendwann einmal zeitlich befristet ausfällt“, erhalten Frauen oft nicht einmal den Zugang zu beruflichen Aufgaben, die mit Personalführung verbunden sind. Hier lohnt es sich, die geübte Praxis genauer anzusehen. Auch Männer können in Karenz gehen und damit zeitlich befristet „ausfallen“. Sehr oft noch erhalten Frauen für die gleiche Tätigkeit weniger Geld als Männer oder sind in sogenannten „Frauenjobs“ tätig, die von vornherein schlechter bezahlt werden. Bekommt ein Paar ein Kind, ist oft die Frau diejenige, die in Karenz geht, während der Mann mit dem höheren Gehalt weiterarbeitet. Für die Frau kann sich das neben verringerten Karrierechancen im Unternehmen u. a. negativ auf ihre Altersvorsorge auswirken.
Doris Zingl: Das Thema Gender Pay Gap sollte bald der Vergangenheit angehören und die Aufteilung von Karenzzeiten eine gesellschaftliche Erwartungshaltung widerspiegeln. Männer sollen ebenso selbstverständlich in Karenz gehen können wie Frauen, und Frauen sollen die reale Möglichkeit haben, früher in den Arbeitsprozess zurückkehren zu können. Chancengleichheit für Frauen und Männer – vor allem auch beim Zugang zu Führungspositionen – ist im besten Interesse der Banken. Die Vorteile von Geschlechtervielfalt im Unternehmen sind vielfältig. Der Talentemix macht gemischte Führungsgremien sowohl ökonomisch als auch in Bezug auf die Unternehmenskultur signifikant erfolgreicher. Gender Diversity hat also definitiv einen Wert: mehr Innovation, mehr Kreativität, mehr unterschiedliche Lösungsstrategien sowie bessere Rekrutierungschancen, insbesondere von jüngeren und diversitätsorientierten MitarbeiterInnen.
Worin besteht die konkrete Unterstützung des Bankenverbandes zur Durchsetzung von mehr Gender Diversity in Österreichs Banken?
Gerald Resch: In einem ersten Schritt wollen wir in regelmäßiger Informations- und Dialogarbeit mit unseren Mitgliedsinstituten und wichtigen Stakeholdern mehr Bewusstsein für dieses Thema schaffen und gemeinsam überlegen, wie wir die Herausforderung in der Praxis gut lösen können. Es gibt ja bereits viele gute Programme in einzelnen Mitgliedsbanken, die sich aufgreifen und erweitern lassen. Dabei ist es wichtig, dass sich Frauen und Männer gleichermaßen einbringen. Nur in gemeinsamer Kooperation kann es gelingen, Chancengleichheit im Bankensektor zu fördern. Es geht nicht darum, die Männer in den Führungsetagen durch Frauen zu ersetzen oder eigene Finanzprodukte nur für Frauen zu entwickeln, sondern den Beitrag, die Stärken und Bedürfnisse aller Geschlechter einzubeziehen – eben ganz im Sinne von Diversity.
Mag. Doris Zingl, M.B.L.-HSG leitet den Bereich Recht im österreichischen Bankenverband und ist Mutter von drei Kindern.
Dr. Valeska Grond-Szucsich, LL.M. ist Expertin für Bankrecht und Verbraucherangelegenheiten im österreichischen Bankenverband und Mutter eines Sohnes.
MMag. Dr. Gerald Resch ist Generalsekretär des Bankenverbandes und Vater von zwei Söhnen.