Was verbindet die Politikerin Elisabeth Köstinger mit Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner und was braucht Österreich für eine gute Zukunft? Antworten darauf gab es bei einem von Hanna Kordik von der „Presse“ moderierten Podiumsgespräch im Rahmen der 73. Generalversammlung des Bankenverbandes.

Florian Gschwandtner beschreibt in seinem Buch eindrucksvoll den Werdegang vom Bauernbub zum erfolgreichen Selfmademan. Würden Sie ein Buch über sich schreiben – welche Parallelen fände man darin zu Florian Gschwandtner?

Elisabeth Köstinger:  Ich komme ebenfalls aus einer Bauernfamilie. Ich würde sagen, uns beide verbindet ein klarer Zug zum Tor und die Leidenschaft, hart zu arbeiten. Wir lassen uns von Rückschlägen nicht unterkriegen, sondern stehen auf und machen weiter.

 

Was zeichnet Sie als Politikerin aus?

Elisabeth Köstinger:  Ich bin eine absolut überzeugte Parlamentarierin und überzeugte Demokratin. Ich stehe nicht für eine Politik der Schlagzeilen und kurzfristigen Applaus. Ich setze auf die Kraft von Veränderung.

 

Sie haben sich Anfang 2019 als CEO von Runtastic zurückgezogen. Warum?

Florian Gschwandtner: Ich habe Runtastic vor zehn Jahren als Start-up von der Pieke auf und zunächst mit Null Euro am Konto aufgebaut. Mein Grundsatz war und ist: „Failure is not an option.“ Daran habe ich mich immer gehalten – auch wenn wir gerade einmal wieder eine Absage von potenziellen Investoren oder Banken bekommen haben. Es gibt immer eine Lösung – immer! Dazu braucht es aber auch ein gutes Team. Das hatte ich von Anfang an. Für mich ist jetzt einfach der Zeitpunkt für etwas Neues gekommen.

 

mlich?

Florian Gschwandtner: Ich habe mir Auszeit genommen. Das hat die ersten drei Monate ganz gut funktioniert. Dann hat’s mich aber doch wieder gepackt. Ich habe bis dato in den letzten Jahren in 15 neue Start-ups investiert, denen ich jetzt auch mehr Zeit widmen kann. Außerdem übersiedle ich gerade – zum ersten Mal von meiner Studentenwohnung, in der ich bis jetzt gelebt habe, in eine „richtige“ Wohnung.

 

Werden Sie in die Politik gehen?

Florian Gschwandtner: Ich bin der Politik 2017 beratend zur Seite gestanden. Aktiv verfolge ich da definitiv keine Karriere.

 

2017 haben Sie bei den Koalitionsverhandlungen Input gegeben. Wie sehen Sie das Thema Migration?

Florian Gschwandtner:  Aus unternehmerischer Perspektive: Wir haben bei Runtastic mittlerweile 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 42 verschiedenen Nationen. Wir brauchen hier in Österreich unbedingt diesen Input von außen und den kritischen Blick von außen, wie man etwas besser oder anders machen kann.

 

Woher darf der Input von außen kommen oder, anders gefragt, für wen sollen die Grenzen geöffnet werden und für wen geschlossen bleiben?

Elisabeth Köstinger:  Ich teile die Meinung von Florian. Wir brauchen den Input von außen durch mehr qualifizierte Schlüsselkräfte. Leider fehlt die qualifizierte Zuwanderung in Österreich.

 

Was in Österreich auch fehlt, ist die Ökologisierung des Steuersystems. Warum wurde dieses Thema bei der jüngsten Steuerreform ausgespart?

Elisabeth Köstinger:  Es gab ja eine! Die Steuerreform wurde nur so konzipiert, dass – vereinfacht gesagt – gutes Verhalten belohnt und nicht schlechtes Verhalten bestraft werden soll. Unser Ziel war es nicht, große Maßnahmen zu setzen, bei denen wir die Menschen ausbluten. Das hätte auch dem Grundsatz widersprochen, die Steuerreform aufkommensneutral zu gestalten.

 

Aber was spricht denn nun dagegen, eine CO2-Steuer einzuführen?

Elisabeth Köstinger:  Das würde bedeuten, dass Mobilität, Heizen im Winter und Kühlen im Sommer plötzlich massiv verteuert würden. Wir brauchen zuerst Alternativen, die wir anbieten können, bevor wir etwas verbieten oder teurer machen. Was sollen die Menschen im ländlichen Raum machen, wo – wenn es viel ist – noch dreimal am Tag ein Autobus fährt? Wie sollen sie zur Arbeit, in die Schulen, zum Einkaufen, zum Arzt kommen? Viele Menschen sind mittlerweile auf das Auto angewiesen. Ich bin aber überzeugt, dass wir schon in ein paar Jahren völlig andere, umweltschonende Lösungen im Mobilitätsbereich haben werden als heute. Mit diesen Alternativen an der Hand haben die Menschen neue Möglichkeiten.

 

Vor rund einem Jahr hat die EU-Kommission den „Sustainable Action Plan“ ins Leben gerufen. Das österreichische Nachhaltigkeits- und das Finanzministerium haben daraufhin eine nationale „Green Finance Agenda“ erarbeitet. Wird dieses Projekt weiterverfolgt?

Elisabeth Köstinger:  Ja, es muss schlicht und einfach von der neuen Regierung weiterverfolgt werden. Wir haben eine Expertengruppe zusammengestellt, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der verschiedensten Bereiche zusammensetzt. In dieser Gruppe sind auch diejenigen Banken vertreten, die bereits erste „grüne Finanzierungen“ durchgeführt haben. Es braucht allerdings im Sinne des Sustainable Action Plans eine definierte Form und einen Rahmen mit klaren Regeln, die sinnvolle Green Investments möglich machen. Es darf nicht zu einem beliebigen „Greenwashing“ kommen. Die Banken spielen hier eine besonders wichtige Rolle, weil sie als Bindeglied zwischen Investoren, Unternehmen und öffentlicher Hand stehen.

 

Klare Regeln bedeuten Regulierung. Inwieweit ist Regulierung ein Innovationskiller?

Florian Gschwandtner:  Innovation lässt sich nicht über Regulierung machen. Nur weil etwas riskant sein könnte, kann man nicht gleich zur Regulierungskeule greifen. Das würde ich mir auch für die Banken wünschen. Nur, weil ein Investment nach den Standardformeln der aktuellen Risikoklassifizierung bei der Kreditgewährung durch Banken zu risikoreich erscheint, heißt das nicht, dass es nicht machbar ist. Schauen wir uns Jeff Bezos von Amazon an. Er wollte sein „Fire Phone“, ein Smartphone, auf den Markt bringen. Das hat Amazon enorm viel Geld gekostet und ist grandios gescheitert, weil die Konkurrenz schon längst da war. Allerdings verstand es Bezos, aus den Entwicklungen für das Fire Phone etwas anderes zu schaffen: Das ist heute ein echter Renner, steht mittlerweile bei vielen Österreicherinnen und Österreichern zu Hause und heißt „Alexa“.

 

Woran hapert es in Österreich, dass hier keine Erfindungen wie „Alexa“ gemacht werden? Trauen wir uns nichts mehr zu oder können wir zu wenig?

Elisabeth Köstinger:  Uns fehlt eine Kultur des Scheiterns. Während in den USA praktisch alle erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmer mindestens einmal auf die Nase gefallen sind, wird man hierzulande schief angeschaut, weil man „versagt“ hat. Zum anderen mangelt es uns in Österreich manchmal am Willen zur Exzellenz, um Herausragendes zu leisten. Unser Bildungssystem hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich nach unten nivelliert. Das ist Gift für den Wirtschaftsstandort Österreich.

 

Was braucht Österreich für eine erfolgreiche Zukunft?

Elisabeth Köstinger:  Wir sollten uns einerseits unserer Traditionen und Stärken bewusst sein und sie andererseits mit Innovation und Exzellenz verbinden und weiterentwickeln.

 

Florian Gschwandtner:  Hauptsächlich brauchen wir Bildung. Da sind aber nicht nur die Lehrer gefordert, die ohnehin immer für alles herhalten müssen. Es sind genauso die Eltern, die Unternehmen und jeder Einzelne von uns gefordert. Wir müssen bei uns selbst anfangen. Und aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Mit Ehrgeiz kann man im Leben ganz, ganz viel erreichen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Elisabeth Köstinger ist Abgeordnete zum Nationalrat und Vizepräsidentin des Österreichischen Bauernbundes. Die Kärntnerin war neun Jahre lang im Europäischen Parlament tätig und zuletzt als Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Mitglied der österreichischen Bundesregierung.

 

Florian Gschwandtner ist Gründer des Start-up-Unternehmens Runtastic, das 2015 um 220 Millionen Euro an adidas verkauft wurde. Anfang 2019 zog sich Gschwandtner aus der Geschäftsführung zurück. Seither ist der aus Strengberg stammende Unternehmer als Investor und Berater tätig. Sein Buch „So läuft Start-up“ ist 2018 im Ecowin-Verlag erschienen.