Geoökonomische Fragmentierung und verhaltene Erholung

„Mit dem Ergebnis der US-Wahl stehen wir vor einer Neuausrichtung des Welthandels. Die Wirtschafts-, Zoll- und Migrationspolitik der USA werden unsere Ökonomien beeinflussen“, sagt Stefan Schneider, Senior Advisor on German and European Research Deutsche Bank beim „Ökonomischen Ausblick“ des Bankverbands zur aktuellen Entwicklung und erläutert: „Trump hat im Wahlkampf stets isolationistisch mit dem ‚America First‘-Prinzip argumentiert. Zu erwarten sind ein Basiszoll von 10 bis 20 Prozent auf Importgüter und sogar 60 Prozent Zoll auf chinesische Importe.“ Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria, unterstrich die Bedeutung der transatlantischen Handelsbeziehungen für Österreich: „Die USA sind mit 7 Prozent der Exporte und 6 Prozent der Wertschöpfung der österreichischen Industrie zweitgrößter Handelspartner nach Deutschland. Die USA spielen in der ausländischen Nachfrage für die heimische Industrie eine bedeutende Rolle.“

Für Schneider sind zudem „die geoökonomische Fragmentierung gemeinsam mit den Inflationsrisiken und der hohen Staatsverschuldung die vordringlichsten Risiken für die europäische Wirtschaft“. „In der Weltwirtschaft könnte man erneut eine Delle erkennen“, sagt der DB-Ökonom. „Der wirtschaftliche Ausblick lässt keinen Schwung erkennen. Das Wachstum der Weltwirtschaft wird voraussichtlich 2024 und 2025 3,2 Prozent betragen. Die USA haben eine ‚weiche Landung‘ zu erwarten. Nach dem Wachstum von 2,7 Prozent im Jahr 2024 folgen 2,3 Prozent im kommenden Jahr. Dem gegenüber steht ein 0,9-Prozent-Wachstum in Europa für 2024 und ein 1,5-Prozent-Wachstum für 2025. China muss mit Wachstumsraten von 4,9 Prozent im Jahr 2024 und 4,5 Prozent im Folgejahr rechnen“, erläutert Schneider.

Den Euroraum prägen eine Wachstumsabkühlung, eine Inflationsverlangsamung und das Fortbestehen anhaltender Risiken. Der Wachstumsausblick für Europa trübe sich ein. Deutschland gehe, so Schneider, „in Richtung Stagnation“.  „Deutschland hat eine geringe Wettbewerbsfähigkeit. Der überraschende Anstieg des BIP von 0,2 Prozent muss im Kontext der Abwärtsrevision des zweiten Quartals gesehen werden. Ebenso sind der ifo-Index und der Einkaufsmanagerindex zwar im Oktober leicht gestiegen, waren aber davor vier bzw. fünf Mal in Folge gesunken“, führt der deutsche Ökonom weiter aus. Während der Bausektor eine allmähliche Stabilisierung ausweist, verzeichnet das verarbeitende Gewerbe weiterhin einen Rückwärtstrend.

„Die Erholung bleibt sehr verhalten und erlaubt für die österreichische Wirtschaft nur einen vorsichtigen Optimismus für Anfang 2025“, betont Stefan Bruckbauer. „Nach den -1 Prozent im Vorjahr gibt es auch 2024 kein Wachstum, sondern ein Minus von 0,5 Prozent. 2025 rechnen wir aktuell mit 1,0 Prozent Wirtschaftswachstum. Die Inflationsrate wird 2025 voraussichtlich bei 2,2 Prozent liegen. Der Rückgang der Inflation wird weitere Reallohnzuwächse erlauben, die eine Erholung über den Konsum unterstützen“, erläutert der Chefökonom der UniCredit Bank Austria. Zudem sollten die Zentralbanken die Geldpolitik weiter lockern, da die Wirtschaft schwach ist und die Inflation sinkt.

Österreich verzeichnet den stärksten Anstieg der Lohnstückkosten im Euroraum. „Das ist der Inflation zuzuschreiben. Die Exportpreise Österreichs steigen jedoch unterdurchschnittlich. Der Erfolg geht zu Lasten der Erträge der heimischen Industrieunternehmen“, analysiert Bruckbauer und führt weiter aus: „Zudem beobachten wir einen schrumpfenden Auftragseingang in der Industrie, der Baubranche und nun auch in der Dienstleistung im gesamten Euroraum. Dies reduziert mittelfristig die Erwartungen und bedeutet, dass unsere Prognosen ein höheres Risiko nach unten als nach oben haben.“

„Die österreichische Wirtschaft steht unter Druck. Es besteht sowohl für die neue Bundesregierung und insbesondere für die Europäische Union akuter Handelsbedarf. Europa muss mit der Aussicht auf einen steigenden US-amerikanischen Protektionismus unter Trump eine aktive Handelspolitik verfolgen. Österreich profitiert heute von seinem zweitstärksten Handelspartner USA, daher wird es für unser Wirtschaftswachstum entscheidend sein, dass wir diese Beziehungen verbessern und aktiv vorantreiben. Die vergleichsweise starke US-Wirtschaft muss als Chance für die heimischen Unternehmen wahrgenommen werden“, sagt Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes und ergänzt: „Wir brauchen in Europa dringend eine Deregulierung und einen klaren Fokus auf Wirtschaft wie in den USA.“


Disclaimer: die Prognosen von Deutsche Bank Research sind vor den US-Präsidentschaftswahlen entstanden.


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